Heiko Trurnit
Im Loiretal der Schlösser
„Hier, Leonardo, bist Du
frei zu träumen, zu denken, zu arbeiten“ sagte Franz I , sein glühender, um
42 Jahre jüngerer Verehrer, zu da Vinci, als er ihm das Schloss Clos Lucé in
der Touraine als Alterssitz zur Verfügung stellte. Heute kann man in dem
bezaubernden kleinen Ch^ateau und seinem Park an detailgetreu nachgebildeten
Modellen und in die Bäume drapierten transluziden Leinwänden die Werke des
Universalgenies bewundern, den Sigmund Freud so treffend mit den Worten
charakterisierte: „ Er war früh erwacht, als alle anderen noch schliefen.“
Der bis zu seinem Tod im
Jahre 1519 rastlos arbeitende Meister hat der
Nachwelt sogar Kochrezepte hinterlassen.
Und dass man zu seiner Zeit schon vorzüglich zu speisen wusste, erlebt
man in der „Auberge le Prieuré“ von Clos Lucé. In der entzückenden
ehemaligen Abtei hast sich der M^aitre Stephane Sausin ganz der feinen Küche
der Renaissance verschrieben, die großzügig auch Gewürze aus dem Fernen Osten
einsetzte, und das nicht nur in den Speisen; selbst in den Weinen schmeckt man
neben Minze, Salbei, Nelken auch Muskat, Koriander, Cinnamon und Ingwer.
Von Clos Luc´hat man einen
wunderschönen Blick auf das 400 Meter entfernte wehrhafte Schloss Amboise, das
obwohl nur teilweise erhalten, mächtig über der Loire thront. Als königliche
Residenz des 15. und 16. Jahrhunderts ist es eines der bedeutendsten Ch^ateaus
des Flusstals, eines von etwa 100, die heute zugänglich sind. Während des
Hundertjährigen Krieges (1337-1453), als die Engländer Paris besetzt hielten
und Erbfolgekriege tobten, residierten die französischen Könige im Loiretal.
Sie und der Adel erbauten hier -
teils auf gotischen Überresten – ihre feudalen Herrensitze im Stil der
Renaissance. So wurde die Region zum Symbol eines neuen Zeitalters.
Und heute ist sie eine der
beliebtesten Touristenziele von Frankreich. Dabei wird das Radwandern immer
beliebter, liegen die zu besichtigenden Herrensitze doch nur kleine Tagesetappen
von einander entfernt. Wer größere Ambitionen hat, macht die ganzen 650 km der
„La Loire à vélo“ (www.loire-radweg.org/)von Orléans bis zum Atlantik
entlang des letzten ungezähmten großen Stroms Mitteleuropas. Der kulturell
interessanteste Abschnitt mit einer Vielzahl traumhafter Schlösser führt durch
historische Städte und Dörfer nach Tours. Diese pulsierende Stadt mit ihren
Fachwerkhäusern und dem Studenten-Flair ist als Ausgangspunkt ebenfalls
geeignet, vor allem wenn man von Paris mit dem TGV anreist. Nicht versäumen
sollte man, sich in Tours die
imposante Kathedrale Saint-Gatien anzusehen. An ihrer Fassade lässt sich die
Baukunst von der Gotik bis zur Renaissance ablesen.
Und nach dem Diner, zum Beispiel im exzellenten „Le Saint. Honoré“, trifft
man die Bohème am Place Blumereau.
Die Radwege sind teilweise neu angelegt, führen aber mehrheitlich über wenig befahrene Landstraßen. Sie sind gut ausgeschildert. Merkliche Höhenunterschiede gibt es nur abseits des Flusses. Dafür entschädigen hier herrlicher Waldpassagen und beschaulicher Felder. Es geht gemütlich zu. Zweirädrigen Massenverkehr wie entlang der Donau gibt es – noch – nicht. 15 Fahrradverleiher haben sich zusammengeschlossen, was es ermöglicht, das Rad an einem Ort zu leihen und an einem anderen abzuliefern. Rund 100 Hotels, Herbergen und Gästezimmer mit dem Label „Accueil Vélo“ sind auf den Empfang der „Radler“ spezialisiert. Viele von ihnen bieten sogar den Gepäcktransport zum nächsten Etappenziel an. Wertvolle Informationen bietet das bikeline-tourenbuch von „Esterbauer“.
Von
Tours führt uns der Weg über Amboise zum Schloss
Chaumont-sur-Loire, das einst Katarina von Medici gehört hatte, die im Alter
von 14 Jahren von ihrem Onkel Papst Klemens VII mit dem gleichaltrigen Heinrich
II, Sohn von Franz I, verheiratet worden war. So waren die Sitten damals. Der
Hof des Lustschlosses wie sein Landschaftspark mit riesigen Zedern bieten einen
spektakulären Blick auf die Loire. Berühmt ist das seit 1992 – immer von
Ende April bis Oktober - in der Domäne stattfindende Internationale
Gartenfestival, das sich der Verbindung von Natur und Kunst widmet, 2010 unter
dem Thema „Körper und Seele“. Künstler verschiedenster Prägung schufen
Installationen, die - auf geniale
und manchmal eigenwillige Weise - die therapeutische Wirkung der Natur auf den
Menschen veranschaulichen. Sie warnen, dienen der Erbauung, regen die Phantasie
an und machen nachdenklich. Wahrhaft ein Ort zum Innehalten!
Bei
einer Tour auf dem größten Strom Frankreichs weiß der etwas skurrile
Bootsmann Jean Ley aus Chaumont-sur-Loire so lebendig von der Natur und der
Geschichte der Loire zu erzählen, dass die Zeit auf dem traditionellen Holzboot
wie im Fluge vergeht.. Bestens kennt er sich auch aus mit den Bibern, die seit
1974 hier wieder heimisch wurden, und die die Ufer mittlerweile in
Familienrevieren in großer Zahl
besiedeln.
Weiter geht es nach Blois, einem auf mehreren Hügeln errichteten Stadt, die sich ins Gedächtnis einprägt: Die elegante Pont Gabriel, die Altstadt mit ihren engen Gassen und steilen Treppen , die Basilika Saint-Nicolas, die Kathedrale, das Haus der Magie, und alles beherrschend das Chateau, ein Monument der Historie und Kultur. Hier residierten die Majestäten, hier schlug das Herz Frankreich, hier weht der Geist der Geschichte durch die prunkvollen Säle.Völlig in den Bann zieht einen die abendliche Ton- und Lichtvorstellung im Schlosshof, dramatisch, überwältigend.
Einen
interessanten Gegensatz zu dem königlichen Palais von Blois bietet die nahe
Burg Fougères-sur-Biévre aus dem 15. Jahrhundert. Die mächtige quadratisch
angelegte Wehranlage hat in ihrer kompakten Schlichtheit einen ganz eigenen
Charme. Schön sind die Schieferdächer und der Dachstuhl aus Eichenholz, wie
einem bei der Führung überhaupt die Bautechniken der damaligen Zeit
anschaulich näher gebracht werden.
Wiederum
verschwenderisch ausgestattet ist das in Privatbesitz befindliche Schloss von
Cheverny in bestechendem klassizistischem Barock. Seit über sechs Jahrhunderten
gehört die Domaine der gleichen Familie. Das Unternehmen mit Schlossverwaltung,
Parkanlagen, Nutzholz-Pflanzungen, Jagdrevieren und einem 30 ha großen
Golfplatz wird heute vom Marquis und der Marquise de Vibraye geleitet. Mit ihrer
Durchlaucht kann man sogar auf die Jagd gehen, begleitet von einer großen
Hundemeute. Ganz billig dürfte das nicht werden.
Anfang
des 16. Jahrhunderts, als sich fünf Großmächte die Vorherrschaft in Europa
streitig machten, begann Franz I mit dem Bau des gewaltigen , doch mit seinen
vielen Türmen irgendwie leicht wirkenden Schlosses von Chambord. Es sollte
seinen Anspruch auf die Krone des Heiligen Römischen Reiches symbolhaft zum
Ausdruck bringen. Die Architektur sprengt alle Maßstäbe. Das Schloss ist 156 m
lang, 56 m hoch, hat 77 Treppen, 282 Kamine und 426 Räume. Sein 5440 ha großes
Gelände ist durch eine 32 km lange Mauer umschlossen.
Noch
viele weitere sehenswerte Ch^ateaus gibt es an der Loire. Die hier kurz
skizzierten sind durchwegs hervorragend restauriert. Man erhält vor Ort gutes
Informationsmaterial in Deutsch, auch kindgerechtes.
Frankreich
ist immer ein Genuss für Körper und Geist, besonders im Tal des großen
Stroms.
Informationen:
www.franceguide.com
Fotos www.heiko-trurnit.de