Heiko Trurnit |
Im_Suedosten_Siziliens |
In
Sizilien herrscht die Mafia, sagt man. Sollte dem so sein, der Reisende
merkt davon nichts. Was die Sizilianer behaupten, aber wohl nicht stimmt
„Wir haben die Mafia von den Griechen geerbt“. Doch bedeutsame
Spuren ihrer Kultur haben die Griechen hinterlassen, die neben Phöniziern,
Karthagern, Vandalen, Ostgoten, Arabern, ,Normannen, und Spaniern sich
der größten Insel des Mittelmeeres bemächtigt hatten. In Syrakus
befindet sich das Grab des Archimedes, dem genialen Sohn der Stadt,
sowie Reste des Apollontempels aus dem 6.Jahrhundert, und ein
imposantes, bestens erhaltenes Theater für 16 000 Zuschauer aus
gleicher Zeit, in dem heute antike Tragödien, aber auch moderne Stücke
und Konzerte aufgeführt werden. Geprägt
wird Syrakus aber durch den Barock, in dem die Stadt nach dem
verheerenden Erdbeben von 1693 wieder aufgebaut wurde. Der historische
Kern Ortigia war nach dem zweiten Weltkrieg ziemlich verfallen . Heute
erstrahlt – nach zwanzigjährigen Sanierungsarbeiten -
ein Großteil der Kirchen und Paläste im alten Glanz. Begibt man sich
in die kleinen Seitengassen, sieht man aber auch Wohnhäuser die zu
verfallen drohen. Obwohl sie, mit den für den sizilianischen Barock
typischen schmiedeeisernen Balkonen, getragen von fröhlichen Putten und
Masken, ihren Charme auf den Besucher nicht verfehlen. 2005 erklärte
die UNESCO nicht einzelne Bauwerke, sondern die ganze Stadt, zum
Weltkulturerbe wegen ihrer einzigartigen Ansammlung bemerkenswerter
Zeugnisse der Mittelmeerkulturen über die Jahrtausende. Viel gibt es zu
entdecken für den neugierigen Touristen, und erspüren kann er hier das
süditalienische Lebensgefühl, am besten abends, wenn sich das elegant
gekleidete Volk auf der von großartigen Palazzi und Kirchen umrahmten
Piazza Duomo trifft oder an der Seepromenade Foro Vittorio Emanuel II,
wo das türkisfarbene Meer Sehnsüchte weckt. Mehr
als ein Drittel der Sizilianer lebt in den großen Küstenstädten.
Ziemlich dünn besiedelt ist das Innere des Landes. Viele kleine Bauernhäuser
sind verlassen. Es gibt noch wenig Tourismus. Der Landflucht durch die
Entwicklung des Tourismus entgegen zu wirken hat sich die GAL Hyblon
Tukles zum Ziel gemacht. Die GAL (Gruppe lokaler Aktion) ist ein
Zusammenschluss privater und öffentlicher Träger (Kommunen, Verbände,
wissenschaftliche und
kulturelle Institutionen). Nicht unwesentlich gefördert wird sie durch
die EU. Es
werden touristische Zentren eingerichtet, Park- und Rastplätze gebaut,
die Infrastruktur verbessert, Wander-
und Mountainbike-Wege angelegt, Bauernhöfe animiert, Gastzimmer
einzurichten, Restaurants und Gasthäuser angehalten, ihr Angebot zu
verbessern, und Vieles mehr. Das Alles ist im Gange und soll bis in fünf
Jahren abgeschlossen sein. Und es lohnt sich. Das Hinterland von Syrakus
ist ein Paradies für Individualtouristen auf der Suche nach Authentizität.
Ein
Highlight der Reise durch das Innere der Provinz von Syracus ist
zweifellos der Besuch der Nekropolis von Pantalica in den Bergen von
Iblei. Pantalica, im 13. Jahrhundert v.Chr. gegründet, war die
Hauptstadt der Sikuler, die neben den Sikanen das erste bekannte auf
Sizilien lebende Volk waren. 5000 Grabkammern haben sie und vielleicht
auch die Griechen in den Kalkstein gehauen. In frühchristlicher Zeit
dienten sie zum Teil zur Behausung oder als Kapellen. Zu nicht wenigen
der Höhlen kann man auf ausgeschilderten Pfaden gelangen, die durch ein
Meer von Wildkräutern und Wildblumen führen .Landschaftlich großartig
ist auch die Cava Grande im Valle dell’Anapo, eine durch den Cassibile
tief in den Berg gegrabene Schlucht. Der Fluss bildet kleine Seen und
Wasserfälle, am Wegesrand wuchert die Flora, an den Hängen wachsen Büsche
und Bäume.. Mit 3000 unterschiedlichen Pflanzenarten ist Sizilien ja
die vegetationsreichste Insel des gesamten Mittelmeeres. Als
Reisezeit empfiehlt sich deshalb das Frühjahr. Da grünt und blüht es
allenthalben. Mit Ausnahme einiger kargerer Landstriche, in denen man
sich im Maghreb wähnt. Und
auf der Rundreise durch das Landesinnere kommt man zu romantischen
Bergstädtchen, wie Palazzolo Acreide, Cannicatti oder Noto. Letzteres
ist besonders sehenswert, ein Juwel des Spätbarock, mit etwas über 20
000 Einwohnern und über 30 Kirchen, eine prächtiger als die andere,
erbaut in einem hellen Kalktuffstein, durch den die hoch über einer
riesigen Freitreppe thronende Kathedrale so licht erscheint, als wolle
sie sich mit dem Himmel vereinen. Caltagirone, arabische Festung aus dem
9.Jh. ist die Hauptstadt der
Töpferkunst. Von hier aus gehen Keramiken in die ganze Welt. Und sie
verzieren viele der Gebäude der Stadt, wie auch die 142stufige
Freitreppe Santa Maria del Monte von
1606, die den unteren mit dem oberen Ortsteil verbindet. Geschmückt mit
Blumen in leuchtenden Farben, in einem Ensemble barocker
Architekturkunst, ist sie einfach ein ästhetischer Genuss. Reizvoll ist
der Giardino Pubblico mit seinem künstlichen See und einem maurischen
Musikpavillon.
Kommt
man schließlich nach Castiglione, hat man einen phantastischen Blick
auf die sich nördlich des Ätna an den Hang schmiegende
ehemalige Königsstadt der Normannen, in der sich für den
Fotografen viele interessante Motive finden. Einen Abstecher sollte man
machen zu der unweit der Stadt gelegenen Kirchenruine Santa Domenico aus
byzantinischer Zeit. In ihrem Innern fasziniert das Spiel von Licht und
Schatten. Sie liegt am durch die Steine hüpfenden Flüsschen Alcantara,
das dem Reisenden eine willkommene Erfrischung bietet. Bevor er sich
vielleicht den allgegenwärtigen Ätna einmal aus der Nähe anschaut.
Das sollte man auf jeden Fall tun. Oft kann man ja nicht weit hinauf, da
der über 3000 m hohe Vulkan ständig aktiv ist. Er ist gefährlich,
weil Ausbrüche nicht nur im Gipfelbereich auftreten, sondern häufig in
längs verlaufenden Eruptionsspalten. Aber ein Erlebnis ist er allemal.
Die Landschaft des Gebirgsstocks ist durch die verwitterte Lava äußerst
fruchtbar. Der untere Bereich ist kultiviert mit Zitrusfrüchten,
Oliven, Wein, Feigen und Pistazien. Etwas oberhalb, wo die Natur immer
noch mit unglaublicher Üppigkeit verblüfft, blüht überall der
Ginster. Darüber, bis in 2000 m Höhe, erstreckt sich eine Waldzone mit
Laubbäumen und Koniferen. Hier sieht man von
Lava verwüstete bizarre Landschaften
mit umgeknickten Bäumen oder solchen, die ihre nackten Äste klagend in
den staub- und schwefelgeschwängerten Himmel recken. Krönender
Abschluss einer Reise nach Sizilien kann ein Tag in Catania sein, der
schwarzen Stadt. Sie wird so genannt, weil für viele Gebäude Lavastein
als Baumaterial verwendet wurde. Die Altstadt zählt mit den anderen
acht Spätbarockstädten im Val di Noto zum Weltkulturerbe. Mittelpunkt
der lebendigen Metropole ist der Domplatz mit dem Elefantenbrunnen, dem
Wahrzeichen der Stadt. Und hier im Angesicht der Kathedrale und prächtiger
Paläste pulsiert das Leben, hier begegnen sich Einheimische und
Touristen. Hier sitzen die alten Männer und schauen in den Himmel ob
der Ätna wieder spuckt. Die Pescheria, der angrenzende Fischmarkt, vermittelt
südländisches Flair und das heiße Temperament der Sizilianer. Wenn
der Händler vom riesigen Schwertfisch ein Stück abschneidet und es
versteigert, wird es schon mal hitzig. Sizilien
ist wie seine Menschen: Leidenschaftlich und reizend zugleich. Und wenn
es nach Silvio Berlusconi geht, dann kann man dereinst (2016) auf der höchsten
und längsten Hängebrücke der Welt über die Straße von Messina
fahren. So lange sollte man aber nicht warten, denn bis dahin haben
vielleicht zu viele Touristen die Schönheiten der von der Sonne verwöhnten
Insel entdeckt. Viele weitere Fotos: http://www.heiko-trurnit.de/Italien.htm Informationen: http://www.enit-italia.de/menu/italien-entdecken/regionen/sizilien.html
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