USA – Entlang der Appalachen

Von Asheville (North Carolina) nach New York (N. Y.)

 26. bis 31. Juli 2008

 

In Asheville kommen wir erst garnicht in die Stadt, weil ein großer Feiertag begangen wird, alle Zufahrten gesperrt, die Stadt proppenvoll. Wir wollen ja eigentlich auch nach Biltmore Estate, das auf der Karte wie ein Vorort von Asheville aussieht, aber die freundlichen Amerikaner tun sich äußerst schwer mit Karten lesen und Wege erklären, und so fahren wir erst einmal im Kreis herum, bis wir auf dem richtigen Dampfer sind. Am großen Tor heißt es natürlich erst einmal wieder zahlen: 102 Dollar für zwei Personen. Das scheint die Leute nicht abzuhalten, über eine Million finden jährlich hierher. Zunächst fährt man mit dem eigenen Wagen kilometerweit durch gepflegte Parkanlagen. Vom großen Parkplatz sind es nur ein paar Schritte, bis das Wunder vor uns liegt: das Vanderbilt-Schloss, ein amerikanisches Fontainebleau, 1895 mit 250 Zimmern das größte Privathaus in den USA (und eines der ersten mit Edisons elektrischen Glühlampen).

 

Das Besondere daran: Wir wandern nicht nur durch ein paar Prunkräume, sondern vom Dach bis zum Keller kilometerweit über alle Treppen und Gänge, sehen von der riesigen Speisehalle über hübsch und recht unterschiedlich eingerichtete Schlafgemächer und eine klostergleiche Bibliothek und alles was zu einem hochherrschaftlichem Hausstand gehört, bis hin zu den voll eingerichteten Kammern des Personals, den Toiletten und Bädern, den Arbeits- und gefüllten Vorratsräumen. Man erwartet jeden Augeblick, dass George W. Vanderbilt durch die Tür tritt oder eine Zofe mit dem Teetablett vorübereilt.

 

Wunderbar ist auch der Botanische Garten, der immer wieder neue Ausblicke auf farbenprächtige Beete bietet. Auf dem eigenen Gutshof arbeitet gelegentlich noch der Schmied. Im großen Biltmore Inn lässt sich’s sicher auch gut schlafen, aber es ist für die kommende Nacht schon belegt. So landen wir abends in einem Motel an der Straße nach Waynesville in einem einfachen Motel, das aber einen sauberen Eindruck macht und weiche Betten bietet. Im Shopping Center gegenüber liegt ein chinesisches Restaurant, an dessen Buffet sich überraschend viele Gäste einfinden. Heute war es nicht mehr so heiß, zwischendurch erfrischte ein kurzer Schauer.

 

Morgens essen wir in einem Lokal der Kette Cracker Barrel – Old Country Store, recht rustikal eingerichtet und sehr effizient geführt. Die Cherokee Indian Reservation ist eine einzige Enttäuschung: Wir sehen auf der ganzen langen Straße hindurch keinen Indianer, keinen Mustang, kein Tipi. Nur Souvenir-Shops, in denen die Cherokee vermutlich auf den weißen Mann mit seinen Dollars warten. Allmählich windet sich die Straße hinauf in den Great Smoky Mountains National Park, angeblich der am meisten besuchte Nationalpark Amerikas; vermutlich, weil eine Hauptverbindungsstraße von North Carolina nach Tennessee über den Pass, den Newfound Gap, führt. Denn die Attraktion hält sich in Grenzen.

 

So wild, wie er sich anhört, ist der Gebirgszug nicht; eher erinnert er an den Schwarzwald. Kein Vergleich mit den National Parks in den Rocky Mountains. Haupt-Touristen-Ort ist Gatlinsburg, wo die tägliche Blechlawine vor den Shops und Restaurants die Straßenränder komplett blockiert.

 

Am Blue Ridge geht es in etwa 1650 Meter Höhe auf dem Kamm entlang weiter. Von dem Blue Smoke sehen wir nicht viel, muss wohl der Morgennebel sein.  Ein Schild besagt, dass Richard C. du Pont mit seinem Segelflugzeug Albatross hier 1933 vom Afton Mountain aus in vier Stunden und fünfzig Minuten einen neuen Streckenrekord von 121,6 Meilen aufgestellt und damit die bisherige amerikanischeRekordstrecke fast verdoppelt hätte.

 

Über Johnson City und Roanoke tuckern wir zur Natural Bridge in Virginia’s Shenandoah Valley: ein beeindruckender Steinbogen über einem kleinen Bach. George Washington hat sich an einer Wand verewigt. Wir ärgern uns wieder, dass die Amerikaner vor jedes Naturwunder einen Ticket-Schalter bauen. Wir tippeln den hübschen Cedar Creek Trail hinter bis zu den etwas mickrigen Lace Falls. Unterwegs ein Holzzaun und ein paar Hütten aus geflochtenen Ruten, die ein altes Indianerdorf vorstellen sollen. Besser ist das Natural Bridge Hotel, in dem wir ein großzügiges Doppelzimmer für 89 Dollar bekommen (das allerdings etwas mager ausgestattet ist) und wo uns im wenig frequentierten, prunkvollen Speisesaal ein gutes und vor allem reichliches Essen aufgetragen wird. Allerdings räumt die Bedienung beim letzten Bissen sofort den Tisch leer, es wird ungemütlich, Schlag 9 Uhr ist das Lokal leer. Eine halbe Stunde später sind wir die letzten Gäste an der Bar.

 

Monticello Memorial Park heißt das nächste Ziel. Hier steht das von Thomas Jefferson, „Philosoph der Amerikanischen Revolution“ und 1776 Verfasser der Unabhängigkeitserklärung, im neoklassischen Stil entworfene Haus. In diesen heimeligen Räumen empfing er seine Gäste, hier verwaltete er seine Plantage, die 150 Sklaven beschäftigte. Berühmt ist sein großer und noch intakter Küchengarten, Vorbild für den Garten manches europäischen Hobby-Gärtners (wie etwa M. de Givenchy) und Spitzenkochs, berüchtigt sein Geschick in der Bewirtschaftung seiner über 2000 Hektar Land: Er verschuldete sich so, dass die Familie  Land, Haus und Sklaven verkaufen musste. Unsere 15 Dollar pro Nase retten ihn auch nicht mehr.

 

Schließlich tauchen wir in den Shenandoah National Park ein, besser: klettern hinauf, was zunächst einmal wieder heißt: zahlen! Die Straße führt weitgehend auf dem Kamm, dem Skyline Drive,  entlang, was, nachdem er Nebel sich gelichtet hat, schöne Ausblicke mal nach der einen, mal nach der anderen Seite erlaubt; in Landschaften, die wieder an den Schwarzwald erinnern. Der Südstaaten-General Stonewall Jackson ist hier mit seinen Truppen während des Bürgerkriegs zum Schrecken der Union geworden, weil er seine 25000 Soldaten unerklärlich schnell an immer neuen Orten auftauchen ließ, wie eine Tafel vermeldet. Nur ein Reh sehen wir auf der langen Fahrt, die durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung gebremst wird (die Amerikaner natürlich penibelst einhalten, so dass langsam mit großem Abstand gefahren wird).

 

En Abstecher führt uns zu Luray Caverns, einem vielgestaltigen Höhlensystem, das vor uns einen verzauberten Raum nach dem anderen ausbreitet – Wishing Waters, Fishmarket, „Haifischmaul“... in der Cathedral empfängt uns das Kirchenlied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Schade, dass der weibliche Guide einen so schauderhaften Slang spricht, dass wir an unseren Englisch-Kenntnissen zu zweifeln beginnen. Es wird spät, und so verkriechen wir uns an der nächsten Ausfahrt, bei Falling Waters,  in einem Hilton Hotel (vor den Ausfahrten ist an der Straße angezeigt, was dahinter zu finden ist). Ein Restaurant gibt es hier nicht, aber für Beträge ab 10 Dollar können wir uns von einem Chinesen etwas bringen lassen – die Liste liegt bereit. Ein Bier ist allerdings nicht drin – Alkohol...!

 

Wir haben uns beeilt, damit wir für das nächste Ziel mehr Zeit haben: die Amish. Zunächst müssen wir aber durch Gettysburg. Und ob wir wollen oder nicht, an der dreitägigen Schlacht von 1863 kommt man hier nicht vorbei. Rechts und links der Zufahrten stehen die Denkmäler der einzelnen Regimenter, drohen Kanonen, ziehen Besucher vorbei. Mit über 44 000 Kampfunfähigen endete hier die letzte Schlacht des Konföderierten-Generals Lee auf dem Territorium der Union, die nun das Szepter übernahm.

 

Sobald wir uns (nachdem wir den breiten Susquehanna River überqueret haben) Lancaster nähern, mutiert die Gegend zu einer ruhigen Parklandschaft. Die Wiesen scheinen, als ob sie alle frisch gemäht wären. Und dann sehen wir auch die Amish-Frauen, wie sie mit Pferden und Leiterwagen Heu wenden und einfahren. Wo bei uns Fahrradwege die Straßen säumen, sind es hier Spuren für die Pferde vor den Buggys der Amish, die nun hie und da unbeirrt durch den starken Autoverkehr einher traben. In der Markthalle von Lancaster gibt es auch ein paar Amish-Stände mit den Früchten ihrer Arbeit auf den Farmen und Quilts. Im Heritage Museum daneben erkunden wir die Geschichte dieses deutschstämmigen Mennoniten-Zweigs. Dann quartieren wir uns für zwei Tage auf Smucker’s Farm Guest House ein, das zu New Holland gehört, lassen uns mit einem Buggy durchs Land fahren, spazieren über die einsamen, sauberen Sträßchen zwischen den weit verzweigten Höfen. Auf der Lapp Valley Farm gibt es selbst gemachtes, wunderbares Eis – da fahren die jungen Amish mit ihren Buggys oder dem fußbetriebenen Roller gern einmal vorbei... (siehe „Die Amish“)

 

In Strasburg gibt es nicht nur ein pompöses Sight and Sound Millenium Theater, sondern auch ein umfangreiches Eisenbahn-Museum samt einem alten Dampfzug, der uns schnaubend durch die Abenddämmerung 45 Minuten auf der ältesten amerikanischen Eisenbahnstrecke hin- und herfährt: Road to Paradise. Wir fahren natürlich für 38 Dollar pro Kopf Erster Klasse inklusive Dining (das aber nur in Salzstangen und einem drink besteht; immerhin darf auch Bier ausgeschenkt werden – aber erst nach Abfahrt des Zuges). Im Hershey Restaurant erholen wir uns von den Strapazen.

 

Nach einem Snack in einem Restaurant der Appelbee-Kette (auch nicht schlecht) fahren wir am nächsten Tag in den Flughafen Newark ein, einem die Airports, die für New York genutzt werden. Vom Car Rental schweben wir mit der Einschienenbahn ins Zentralgebäude. Da schauen wir unsere Bilder durch, bevor es nun heimwärts geht. Das beliebte Foto vom Amish-Ortsschild Intercourse haben wir uns gespart – was sollen die Leute denken ... Eine Kapelle vertreibt den Fluggästen lautstark die Zeit. Zum letzten Mal dürfen wir die rekordverdächtigen Hinterteile des durchschnittlichen Fastfood-Amerikaners bewundern.

Brigitte & Hanno Trurnit

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