Von Asheville (North Carolina) nach New York (N. Y.)
In
Asheville kommen wir erst garnicht in
die Stadt, weil ein großer Feiertag begangen wird, alle Zufahrten gesperrt, die
Stadt proppenvoll. Wir wollen ja eigentlich auch nach Biltmore Estate, das auf der Karte wie ein Vorort von Asheville
aussieht, aber die freundlichen Amerikaner tun sich äußerst schwer mit Karten
lesen und Wege erklären, und so fahren wir erst einmal im Kreis herum, bis wir
auf dem richtigen Dampfer sind. Am großen Tor heißt es natürlich erst einmal
wieder zahlen: 102 Dollar für zwei Personen. Das scheint die Leute nicht
abzuhalten, über eine Million finden jährlich hierher. Zunächst fährt man
mit dem eigenen Wagen kilometerweit durch gepflegte Parkanlagen. Vom großen
Parkplatz sind es nur ein paar Schritte, bis das Wunder vor uns liegt: das Vanderbilt-Schloss,
ein amerikanisches Fontainebleau, 1895
mit 250 Zimmern das größte Privathaus in den USA (und eines der ersten mit Edisons elektrischen Glühlampen).
Das
Besondere daran: Wir wandern nicht nur durch ein paar Prunkräume, sondern vom
Dach bis zum Keller kilometerweit über alle Treppen und Gänge, sehen von der
riesigen Speisehalle über hübsch und recht unterschiedlich eingerichtete
Schlafgemächer und eine klostergleiche Bibliothek und alles was zu einem
hochherrschaftlichem Hausstand gehört, bis hin zu den voll eingerichteten
Kammern des Personals, den Toiletten und Bädern, den Arbeits- und gefüllten
Vorratsräumen. Man erwartet jeden Augeblick, dass George W. Vanderbilt durch die Tür tritt oder eine Zofe mit dem
Teetablett vorübereilt.
Wunderbar
ist auch der Botanische Garten, der immer wieder neue Ausblicke auf farbenprächtige
Beete bietet. Auf dem eigenen Gutshof arbeitet gelegentlich noch der Schmied. Im
großen Biltmore Inn lässt sich’s
sicher auch gut schlafen, aber es ist für die kommende Nacht schon belegt. So
landen wir abends in einem Motel an der Straße nach Waynesville
in einem einfachen Motel, das aber einen sauberen Eindruck macht und weiche
Betten bietet. Im Shopping Center
gegenüber liegt ein chinesisches Restaurant, an dessen Buffet sich überraschend
viele Gäste einfinden. Heute war es nicht mehr so heiß, zwischendurch
erfrischte ein kurzer Schauer.
Morgens
essen wir in einem Lokal der Kette Cracker
Barrel – Old Country Store, recht rustikal eingerichtet und sehr effizient
geführt. Die Cherokee Indian Reservation
ist eine einzige Enttäuschung: Wir sehen auf der ganzen langen Straße hindurch
keinen Indianer, keinen Mustang, kein Tipi. Nur Souvenir-Shops, in denen die
Cherokee vermutlich auf den weißen Mann mit seinen Dollars warten. Allmählich
windet sich die Straße hinauf in den Great
Smoky Mountains National Park, angeblich der am meisten besuchte
Nationalpark Amerikas; vermutlich, weil eine Hauptverbindungsstraße von North
Carolina nach Tennessee über den Pass, den Newfound
Gap, führt. Denn die Attraktion hält sich in Grenzen.
So
wild, wie er sich anhört, ist der Gebirgszug nicht; eher erinnert er an den
Schwarzwald. Kein Vergleich mit den National Parks in den Rocky Mountains. Haupt-Touristen-Ort ist Gatlinsburg, wo die tägliche Blechlawine vor den Shops und
Restaurants die Straßenränder komplett blockiert.
Am
Blue Ridge geht es in etwa 1650 Meter
Höhe auf dem Kamm entlang weiter. Von dem
Blue Smoke sehen wir nicht viel, muss wohl der Morgennebel sein.
Ein Schild besagt, dass Richard C. du Pont mit seinem Segelflugzeug Albatross hier 1933 vom Afton
Mountain aus in vier Stunden und fünfzig Minuten einen neuen Streckenrekord
von 121,6 Meilen aufgestellt und damit die bisherige amerikanischeRekordstrecke fast verdoppelt hätte.
Über
Johnson City und Roanoke tuckern wir zur Natural
Bridge in Virginia’s Shenandoah
Valley: ein beeindruckender Steinbogen über einem kleinen Bach. George
Washington hat sich an einer Wand verewigt. Wir ärgern uns wieder, dass die
Amerikaner vor jedes Naturwunder einen Ticket-Schalter bauen. Wir tippeln den hübschen
Cedar Creek Trail hinter bis zu den etwas mickrigen Lace
Falls. Unterwegs ein Holzzaun und ein paar Hütten aus geflochtenen Ruten,
die ein altes Indianerdorf vorstellen sollen. Besser ist das Natural
Bridge Hotel, in dem wir ein großzügiges Doppelzimmer für 89 Dollar
bekommen (das allerdings etwas mager ausgestattet ist) und wo uns im wenig
frequentierten, prunkvollen Speisesaal ein gutes und vor allem reichliches Essen
aufgetragen wird. Allerdings räumt die Bedienung beim letzten Bissen sofort den
Tisch leer, es wird ungemütlich, Schlag 9 Uhr ist das Lokal leer. Eine halbe
Stunde später sind wir die letzten Gäste an der Bar.
Monticello
Memorial Park heißt das nächste Ziel. Hier steht das von Thomas
Jefferson, „Philosoph der Amerikanischen Revolution“ und 1776 Verfasser
der Unabhängigkeitserklärung, im neoklassischen Stil entworfene Haus. In
diesen heimeligen Räumen empfing er seine Gäste, hier verwaltete er seine
Plantage, die 150 Sklaven beschäftigte. Berühmt ist sein großer und noch
intakter Küchengarten, Vorbild für den Garten manches europäischen Hobby-Gärtners
(wie etwa M. de Givenchy) und Spitzenkochs, berüchtigt sein Geschick in der
Bewirtschaftung seiner über 2000 Hektar Land: Er verschuldete sich so, dass die
Familie
Land, Haus und Sklaven verkaufen musste. Unsere 15 Dollar pro Nase retten
ihn auch nicht mehr.
Schließlich
tauchen wir in den Shenandoah National
Park ein, besser: klettern hinauf, was zunächst einmal wieder heißt:
zahlen! Die Straße führt weitgehend auf dem Kamm, dem Skyline Drive, entlang,
was, nachdem er Nebel sich gelichtet hat, schöne Ausblicke mal nach der einen,
mal nach der anderen Seite erlaubt; in Landschaften, die wieder an den
Schwarzwald erinnern. Der Südstaaten-General Stonewall
Jackson ist hier mit seinen Truppen während des Bürgerkriegs zum Schrecken
der Union geworden, weil er seine 25000 Soldaten unerklärlich schnell an immer
neuen Orten auftauchen ließ, wie eine Tafel vermeldet. Nur ein Reh sehen wir
auf der langen Fahrt, die durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung gebremst wird
(die Amerikaner natürlich penibelst einhalten, so dass langsam mit großem
Abstand gefahren wird).
En
Abstecher führt uns zu Luray Caverns,
einem vielgestaltigen Höhlensystem, das vor uns einen verzauberten Raum nach
dem anderen ausbreitet – Wishing Waters,
Fishmarket, „Haifischmaul“... in der Cathedral
empfängt uns das Kirchenlied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Schade, dass
der weibliche Guide einen so
schauderhaften Slang spricht, dass wir
an unseren Englisch-Kenntnissen zu zweifeln beginnen. Es wird spät, und so
verkriechen wir uns an der nächsten Ausfahrt, bei Falling Waters, in einem
Hilton Hotel (vor den Ausfahrten ist
an der Straße angezeigt, was dahinter zu finden ist). Ein Restaurant gibt es
hier nicht, aber für Beträge ab 10 Dollar können wir uns von einem Chinesen
etwas bringen lassen – die Liste liegt bereit. Ein Bier ist allerdings nicht
drin – Alkohol...!
Wir
haben uns beeilt, damit wir für das nächste Ziel mehr Zeit haben: die Amish.
Zunächst müssen wir aber durch Gettysburg.
Und ob wir wollen oder nicht, an der dreitägigen Schlacht von 1863 kommt man
hier nicht vorbei. Rechts und links der Zufahrten stehen die Denkmäler der
einzelnen Regimenter, drohen Kanonen, ziehen Besucher vorbei. Mit über 44 000
Kampfunfähigen endete hier die letzte Schlacht des Konföderierten-Generals Lee
auf dem Territorium der Union, die nun das Szepter übernahm.
Sobald
wir uns (nachdem wir den breiten Susquehanna
River überqueret haben) Lancaster nähern,
mutiert die Gegend zu einer ruhigen Parklandschaft. Die Wiesen scheinen, als ob
sie alle frisch gemäht wären. Und dann sehen wir auch die Amish-Frauen, wie
sie mit Pferden und Leiterwagen Heu wenden und einfahren. Wo bei uns Fahrradwege
die Straßen säumen, sind es hier Spuren für die Pferde vor den Buggys
der Amish, die nun hie und da unbeirrt durch den starken Autoverkehr einher
traben. In der Markthalle von Lancaster gibt es auch ein paar Amish-Stände mit
den Früchten ihrer Arbeit auf den Farmen und Quilts. Im Heritage
Museum daneben erkunden wir die Geschichte dieses deutschstämmigen
Mennoniten-Zweigs. Dann quartieren wir uns für zwei Tage auf Smucker’s
Farm Guest House ein, das zu New
Holland gehört, lassen uns mit einem Buggy durchs Land fahren, spazieren über
die einsamen, sauberen Sträßchen zwischen den weit verzweigten Höfen. Auf der
Lapp Valley Farm gibt es selbst
gemachtes, wunderbares Eis – da fahren die jungen Amish mit ihren Buggys oder
dem fußbetriebenen Roller gern einmal vorbei... (siehe „Die Amish“)
In
Strasburg gibt es nicht nur ein pompöses
Sight and Sound Millenium Theater,
sondern auch ein umfangreiches Eisenbahn-Museum samt einem alten Dampfzug, der
uns schnaubend durch die Abenddämmerung 45 Minuten auf der ältesten
amerikanischen Eisenbahnstrecke hin- und herfährt: Road to Paradise. Wir fahren natürlich für 38 Dollar pro Kopf
Erster Klasse inklusive Dining (das
aber nur in Salzstangen und einem drink besteht; immerhin darf auch Bier
ausgeschenkt werden – aber erst nach Abfahrt des Zuges). Im Hershey
Restaurant erholen wir uns von den Strapazen.
Nach einem Snack in einem Restaurant der Appelbee-Kette (auch nicht schlecht) fahren wir am nächsten Tag in den Flughafen Newark ein, einem die Airports, die für New York genutzt werden. Vom Car Rental schweben wir mit der Einschienenbahn ins Zentralgebäude. Da schauen wir unsere Bilder durch, bevor es nun heimwärts geht. Das beliebte Foto vom Amish-Ortsschild Intercourse haben wir uns gespart – was sollen die Leute denken ... Eine Kapelle vertreibt den Fluggästen lautstark die Zeit. Zum letzten Mal dürfen wir die rekordverdächtigen Hinterteile des durchschnittlichen Fastfood-Amerikaners bewundern.