MEXICO CITY

 

Ein Moloch der in Smog und Chaos versinkt, gekennzeichnet durch Kriminalität und Straßenkinder, das ist das Bild der mexikanischen Hauptstadt in den 70er und 80er Jahren, das die internationale Presse in ihrer Anhänglichkeit zu Klischees zum Teil bis heute transportiert.

 

Heute stellt sich die 2200 m hoch gelegene Stadt dank großer Anstrengungen der Regierung und der Stadtverwaltung jedoch ganz anders dar. Mir wenigstens. Als ich im April Mexico City besuchte konnte ich die klare Luft des Hochplateaus genießen.  Den Verkehr empfand ich im Vergleich z.B. mit asiatischen Metropolen als zivilisiert und einigermaßen flüssig. In drei Tagen erlebte ich keine schlimmeren Staus als in einer europäischen Großstadt. Auch die Kriminalität soll stark eingedämmt worden sein. Nicht einmal   aufdringliche Händler haben mich belästigt. Natürlich muss wie in jeder Großstadt vor Taschendieben gewarnt werden. Und was die Straßenkinder anbetrifft; die sind verschwunden.  Dies ist wohlgemerkt das Bild das sich dem Touristen in der Innenstadt bietet. In den Vororten , den vecindades, wo sich die Bewohner täglich in der Kunst des Überlebens üben, sieht es wohl anders aus.

 

Einen guten Eindruck von Mexico City verschafft man sich durch eine  Fahrt mit dem Turi-Bus. Für 100 Pesos pro Tag – an Wochenenden etwas teurer – sieht man von den  oben offenen modernen Doppeldecker-Bussen  viele der wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten des Zentrums. Jederzeit kann man auf der Strecke an einer der 24 Haltestellen aus- und wieder einsteigen. Die Fahrt führt vom weitläufigen Park von Chapultepec zum Stadtteil Condesa mit seinen Jugendstilbauten über die Prachtallee Paseo de la Reforma zum Historischen Zentrum, und auf teils anderer Strecke  zurück zum Park mit seinen Seen, Restaurants, Museen und dem Zoo.

 

Auf dieser Fahrt beeindrucken einerseits das viele Grün und andererseits die architektonischen Schönheiten: Prachtvolle Kolonialbauten , die von indianischer Handwerkskunst zeugen, die Fin-de-siècle-Paläste und Villen und die kühnen himmelstürmenden Strukturen des 20. Jahrhunderts am Paseo de la Reforma.. Auch wenn sich hier Mexiko der Errungenschaften des Westens bedient, ist der Stil  moderner mexikanischer Baukunst charakteristisch und traditionell in seiner gekonnten Anwendung von Raum, Licht, Proportionen und Farben.

 

Mexico City ist eine der bedeutendsten Kunstmetropolen der Welt. Die Stadt beherbergt  über 100 Galerien und mindestens ebenso viele  Museen. Ein absolutes Muss für jeden – auch für denjenigen der gewöhnlich Museen eher meidet – ist das vom Regengott Tlaloc bewachte Nationale Museum für Anthropologie. In 23 Sälen die sich um einen großen Patio gruppieren legen 10 000 Exponate Zeugnis ab von den antiken Hochkulturen Mittelamerikas. Wollte man sie alle würdigen, bräuchte man sicher eine Woche oder mehr. Es ist aber nicht die Quantität sondern die Qualität der Ausstellungsstücke die besticht. Die Ästhetik der Werke der Azteken lässt einen vor Ehrfurcht erstarren. Was wir lernen über Leben, Kunst, Wissenschaft und Mythologie der präkolumbianischen Zeit ist erstaunlich und wieder einmal geeignet unseren abendländischen Dünkel in Frage zu stellen. Viele antiken Schätze sind  dem mexikanischen Volk gestohlen worden und befinden sich heute in europäischen Museen. Aber immer wieder werden neue gefunden. Denn Mexico City ist eine einzige große archäologische Stätte, gebaut auf der aztekischen Hauptstadt  Tenochtitlán.

 

Und das Zentrum der Stadt befindet sich genau wo es damals war: Am überdimensionalen Plaza de la Constitución, dem Zócalo, gepflastert mit den Steinen aztekischer Zeremonienstätten. Hier steht die Catredal Metropolitana, die größte Kirche von ganz Lateinamerika, an der ein Vierteljahrtausend gebaut wurde, sowie der Nationalpalast, in  dem die Wandmalereien Diego Riveras, einer der drei Großen des mexikanischen Muralismo,  zu sehen sind. Die Fresken die  die turbulente Geschichte des Landes darstellen befassen sich thematisch hauptsächlich mit den Indianern, mit dem Klassenkampf und der Revolution. Im  lebendigen Historischen Zentrum nahe des Zócalo, wo sich das Volk tummelt, finden sich weitere prachtvolle Kirchen und andere Bauten aus der Kolonialzeit.

 

Es gibt viel zu sehen und zu erleben in dieser Stadt. Zum Entspannen eignet sich bestens San Ángel, ein malerisches von Künstlern bevorzugtes Viertel mit schönen Kolonialhäusern an ruhigen Gässchen. Samstags findet hier ein toller Markt statt, wo man Kunsthandwerkliches besonders günstig erstehen kann.

 

Alle Ziele in der Innenstadt sind mit der weit verzweigten Metro gut zu erreichen, oder – etwas bequemer und auch nicht teuer – mit den grün-weißen Käfer-Taxis die das Straßenbild beherrschen. Als Ausgangsort für die Entdeckung der Megametropolis empfiehlt sich das an das Historischen Zentrum angrenzende Viertel Zona Rosa mit preiswerten Hotels wie der Posada Viena ( köstliches traditionelles Frühstück!), und stimmungsvollen Restaurants, wie dem Péndulo, wo Sie in einem Buchladen tafeln bei gekonnter musikalischer Untermalung durch Jekami-Künstler . In der Zona Rosa hat der Besucher Alles was er braucht: Geschäfte, Boutiquen, Tavernen,  Diskotheken. Für das Nachtleben muss man allerdings Stehvermögen beweisen, denn vor Mitternacht ist nicht viel los.

 

Wer wirklich gut essen will und die traditionelle mexikanische Küche erleben möchte, der geht ins populäre Arroyo in Tlalpan oder zur Hacienda de los Morales in Polanco mit seinem stilvollen Ambiente. In beiden bringen einen die köstlichen Speisen, der Tequila und die mitreißenden Rhytmen der Mariachi auch nach einem anstrengenden Tagesprogramm schnell wieder in Stimmung.

 

Ich liebe diese schreckliche Stadt.

Hier geht's zu den Fotos

Heiko Trurnit