Montenegro    

 

Ich konnte es kaum glauben was mir mein Fahrer Zarko sagte: Die ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens hat noch nicht mal 700000 Einwohner. Und ist, was ich dann recherchierte, kleiner als Schleswig-Holstein. Aber, das können  Sie mir glauben, ein Quadratkilometer ist schöner als der andere.

 

Meine Hotels hatte ich gebucht bei booking.com, deren Webseite sehr übersichtliche und erschöpfende Informationen über die Übernachtungsmöglichkeiten ausweist sowie viele Fotos, viele Bewertungen. Geflogen bin ich mir der Adria Air, einigermaßen günstig, sie war pünktlich, ich kann über nichts klagen.

 

Kotor: Auf der Fahrt vom Flughafen Podgorica nach Kotor kommt man an dem riesigen Lake Skadar vorbei (Skutarisee), an dessen Ostufer sich die bis zu 3000 Meter hohen albanischen Alpen türmen. Anschließend sollte man nicht den bei Sorpaza beginnenden Sozina-Tunnel benützen, sondern die alte Straße über die Pastrovici-Berge, die reizvolle Ausblicke auf die malerische Landschaft bietet.

Das mittelalterliche Kotor selbst nestelt sich eingezwängt zwischen der Bucht, der sie den Namen gegeben hat, und dem schon am Rand der Altstadt steil ansteigenden Megakliff des Orjen-Gebirges. Eine gewaltige Mauer umrahmt  den Ort der Zeugnis gibt von 2000 Jahren Zeit- und Kulturgeschichte. Nicht alles ist alt, aber was zerstört wurde durch das verheerende Erdbeben vom Ostersonntag 1979 ist wirklichkeitsgetreu nachgebildet worden. So sieht die "Stari Grad" genau so aus wie die  Venezianer sie im 15.Jahrhundert erbauten: Schmale zumeist nur zwei Meter breite kopfsteingepflasterte Gassen, ein paar Plätze, Bürgerhäuser  Paläste, Kirchen. Selbst in meiner Behausung, der "Apartments Winehouse" atmen die massiven Kalksteinquader  des Zimmers den Geist vergangener Zeiten aus. Obwohl, das sei bemerkt, alle modernen Annehmlichkeiten wie TV, Kabelfernsehen, W-LAN, ja sogar eine Fußbodenheizung vorhanden sind, und die junge hübsche Ivana, die den Laden führt, sich rührend um mich kümmert.

 

                                                  

 

Ein Muss ist der nahe dem Nordtor beginnende Aufstieg zum Fort St. John. Kurze Wegstücke und 1640 Stufen führen hinauf, gefühlt sind es eher 5000. Aber dafür wird man unterwegs und von der Zitadelle aus  belohnt mit grandiosen Ausblicken auf die Bucht von Kotor und die umliegenden Berge. Wenn man Glück(?) hat und gerade ein Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt, bewältigt man die Erklimmung zusammen mit Hunderten von Engländern, Holländern oder Deutschen, je nachdem von woher der maritime Massentransporter gerade kommt.

 

Boka Kotorska: Die Bucht von Kotor mit seiner verschlungenen Verbindung zum Meer ist eigentlich ein Fjord, und wie man sagt, der einzige in Europa außerhalb von Norwegen und Schottland.

Von azurblau bis türkis glänzt sein Wasser in der Sonne, nur von wenigen Booten gestört. An seinen Ufern schmiegen sich reizende kleine Städte und Dörfer, die - außerhalb der Saison -  eine elysische Ruhe ausstrahlen. Der bekannteste dieser idyllischen Orte ist Perast, Residenz der Reichen, dessen Wahrzeichen der 55 m hohe Turm der Kirche St. Nikola ist. Zwei kleine vorgelagerte Inseln sind die Hauptattraktion für Touristen. Abweisend mit hohen Mauern und schwarzen Zypressen St. Georg (Sveti Dorde), die die Toten der Stadt beherbergt, und St. Marien  (Gospa od Skrpelja) mit seinem reizenden Kirchlein, dessen Museum von einem geschäftstüchtigen Ehepaar gemanagt wird. Zu St. Marien kann man sich von Perast für 5 Euro übersetzen lassen.

Im abgeschirmtesten Teil der Bucht liegt Risan mit seiner palmengeschmückten Uferpromenade, auch dies eine Oase der Ruhe, wenn nicht gerade Markttag ist, oder die Touristen in Massen einfallen um die römischen Mosaiken zu bewundern. Bis hierher kann man von Kotor aus auch mit dem Bus fahren.. Mit dem Auto geht es durch beschauliche Flecken weiter auf die Umrundung des inneren Fjord-Beckens. Um auf die westliche Seite zu gelangen muss man in Kamenari die Fähre nach Lepetane nehmen, von wo es nicht mehr weit ist nach Tivat , einer jungen Stadt mit mondänem Yachthafen. In dieses Eldorado der Reichen am mittleren Fjord-Becken wird besonders von den Russen  heftig investiert. Wir beschließen den Rundtrip aber auf der gegenüberliegenden Seite von Perast. Die Straße hier ist sehr schmal, windet sich zwischen dem Wasser und den mittelalterlichen Fassaden der Häuser. Es herrscht wenig Verkehr, daher bietet sich dieser Teil auch für Radausflüge an. In jeder kleinen Siedlung sthet eine  - meist orthodoxe - Kirche. So hat Prcanj keine 2000 Einwohner , aber  - auf einer Anhöhe zu der mehrere Freitreppen führen -  das mächtige Gotteshaus "Geburt der Jungfrau Maria", ein beeindruckendes architektonisches Meisterwerk.

                                                   

 

Lovcen-Nationalpark: Das karstige Lovcen-Massiv erhebt sich zwischen dem Skadar-See und der Bucht von Kotor. Serpentine um Serpentine windet sich hinauf. Atemberaubende Ausblicke fordern Halte. Trotz des milden Winters liegt im April  oben noch Schnee. Die Straße zum mit 1657 m zweithöchsten Punkt Jezerski ist gerade erst geräumt worden. Auf dem Gipfel befindet sich das Mausoleum des montegrinischen Herrschers Petar II Petrovic Njegos, der als der bedeutendste Poet und Philosoph des serbischen Sprachraums gilt. Dieser ungewöhnliche Ruheplatz den sich der den Bergen verbundene Dichterfürst selber aussuchte, ist für sich schon sehenswert, aber die Szenerie mit dem Panorama der zerklüfteten Felswelt  rundherum ist geradezu spektakulär, hier hat man ganz Montenegro auf einen Blick. 

 

 

Cetinje: Die kleine aber feine Stadt fungierte über 300 Jahre (bis 1918) als Regierungssitz der Fürstbischöfe des Landes, von denen Petar II der vorletzte war. Viele historische Gebäude dieser Epoche, Museen und Paläste machen den Ort zum kulturellen Mittelpunkt von Montenegro, nicht zuletzt auch das große orthodoxe Kloster, das aber Besucher nicht so gerne zu sehen scheint (unfreundlicher Empfang, Fotografieren verboten). Doch die Reliquienkammern bergen wahre Schätze.

Der Ort selber ist mit seinen Alleen und Straßencafés äußerst liebenswürdig.

 

Budva: Der Badeort mit seinen einladenden Stränden ist , wie man erzählt, so ein bisschen Ballermann in Montenegro. Jetzt  im April - und es regnet - ist kaum ein Tourist zu sehen in dem Gassengewirr der Altstadt, und die unzähligen kleinen Restaurants und Läden warten vergeblich auf Gäste. Das Erdbeben von 1979 hat auch dieses geschichtsträchtige Ensemble fast völlig zerstört, aber man hat es so wieder aufgebaut, dass man es nicht wahrnimmt. Ob die diversen römischen Relikte echt sind, weiß ich nicht, aber sie passen sich harmonisch ein in die minimalen Plätze der "stari grad". Markante Bauten sind zwei Kirchen, wie immer mit einem prächtigen Inneren die orthodoxe Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit, sowie die mächtige Zitadelle.

Zu den bildchönen Mogren-Stränden im Norden führt ein pittoresker Weg entlang der Klippen, der auch lohnenswerte Blicke auf die Altstadt freigibt.

                                                                   

 

Sveti Stefan: Berühmt ist der Ort wegen des winzigen Inselchens ein paar Meter vor der Küste. Ihre wehrhaften Häuser aus dem 15. Jahrhundert bedeuteten für die Fischer lange Schutz und Heimat.  Heute ist es die exklusivste Urlaubsbleibe Montenegros, die Prominente wie Sylvester Stallone oder Sophia Loren zu ihren Gästen zählt. Mich nicht, aber auf das trutzige Eiland hatte ich von meinem Zimmer  der ausgezeichneten "Drago Apartments" aus einen phänomenalen Blick. Es gibt im Dorf auf dem Festland noch eine ganze Reihe von -  meist kleineren - Hotels. Um diese Jahreszeit, wo auch die genannte Luxusherberge noch geschlossen ist, wirkt der Ort aber überhaupt nicht touristisch. Und die Wanderungen in die nähere Umgebung, durch stille Wälder und Olivenhaine, waren ein ungetrübter Genuss.

 

Resumé: Landschaftlich zählt Montenegro sicher zu den faszinierendsten Ländern, zumindest in Europa, allerdings auch zu den regensreichsten Gebieten unseres Kontinents. Tourismus ist die Haupteinnahmequelle. Eigentlich wäre die Küstenregion mit Unterkünften längst saturiert, aber überall wird ungebremst weiter gebaut. Und so anziehend die Altstädte sind, so hässlich und eintönig zeigt sich die Mehrheit der neuen Hotels. Als Badeurlaub würde ich Montenegro nicht unbedingt empfehlen, aber für tolle Rundreisen. Will man die Massen meiden sind die April, September und Oktober die richtigen Reisemonate. Aber, wie gesagt, Aprilwetter kennt man auch hier.

Die Montenegriner haben 'was ganz Dummes gemacht. Um den Dinar loszuwerden haben sie im Jahr 1999 mit Einverständnis der BRD die DM als Währung eingeführt, und bekamen dadurch drei Jahre später automatisch den Euro. Mit dem haben die Preise fast das gleiche Niveau erreicht wie das der wirtschaftsstarken Länder der Währungsunion, zu der sie eigentlich gar nicht gehören. Dass jetzt  fast alles so viel in Euro kostet wie vorher in DM, das tut den Einheimischen, vor allem den Rentnern und vielen Arbeitslosen, gewaltig weh. Viele weinen der Tito-Ära nach.

Besucher dagegen werden es als angenehm empfinden, dass zumindest Hotels und Taxis vergleichsweise günstig sind.

 

Gastronomisches:  Die Küche ist eben jugoslawisch, viel Eigenständiges hat Montenegro nicht zu bieten. Fisch ist was man an der Küste isst. In Kotor sollte man darauf achten nicht solchen aus der Zucht im Fjord zu bekommen, sondern einen den wesentlich schmackhafteren Wildfisch. Meisterhaft wird das Gemüse zubereitet, Paprika, Zucchini und Zwiebeln werden gegrillt und nicht gebraten. Da bleibt das Gemüse so lecker saftig, eine köstliche Gaumenfreude. Wein von familiär betriebenen Winzereien kann sehr gut und ziemlich teuer sein. Der preiswerte rote Vranac, den es überall gibt, ist ein angenehmer Tischwein. Auch der leichte aus einheimischer Produktion stammende Chardonnay. Ja, und den besten Käse und Schinken meines Lebens habe ich in diesem Land gegessen.

Empfehlenswerte Restaurants: In Budva vor den Toren der Altstadt das bistro-ähnliche "Perla", in Kotor das "Galerija" gegenüber der Altstadt und das "Atrium" (www.atriumkotor.com) nahe dem Südtor. Letzteres ist mehr als ein Lokal. Der Patron Vasko Prorocic hat Jahre und ein Vermögen ausgegeben um hier einen Ess-Tempel in die Ruine eines Klosters zu integrieren und ein Ambiente mit ganz besonderem Flair zu schaffen für den besonderen Abend. Künstler geben sich hier ein Stelldichein. Und die Preise sind nicht mal zu üppig.

 

Heiko Trurnit 2014

Fotos auf www.heiko-trurnit.de