Sri Lanka hofft auf Frieden

-         Tsunami-Schäden teilweise behoben, aber noch sind viele Menschen obdachlos –

     

Die Regierung von Sri Lanka hat in Zusammenarbeit mit den Geberländern im Dezember 2005 einen Bericht erstellt über die Folgen des Tsunami und den Stand der Hilfsaktionen. Über 100 Experten – je zur Hälfte aus dem In- und Ausland – haben daran mitgewirkt, ein möglichst realistisches Bild der aktuellen Lage, der Erfolge, Probleme und Perspektiven zu zeichnen. Er zeigt, dass die Infrastruktur weitgehend wiederhergestellt ist. Das größte ungelöste Problem ist die Unterbringung der obdachlos gewordenen Menschen. Und im Norden flammt der Kampf zwischen der Regierung und den für ein unabhängiges Land kämpfenden Tamil Tigers wieder auf. Gelingt es nicht die Parteien zu befrieden, droht Sri Lanka wieder ein Bürgerkrieg. Ein Besuch im Norden ist nicht empfehlenswert, der Rest der Insel ist für Touristen jedoch weitgehend gefahrlos zu bereisen.

 

Den benötigten Zeitraum für die Behebung aller Sachschäden schätzt der Bericht auf bis zu fünf Jahre. Von den von der internationalen Gemeinschaft zugesagten 2,1 Milliarden Dollar sind bisher 0,6 gezahlt worden. Andere Zahlen sehen günstiger aus:

-  Zwischen 70 und 85 Prozent der Menschen, die ihren Lebensunterhalt verloren hatten, sind wieder in Arbeit.

-  90 Prozent aller verloren gegangenen oder beschädigten Boote sind ersetzt oder repariert.

- Für 80 Prozent der betroffenen Agrarflächen wurden Saatgut und Düngemittel verteilt.

-  83,5 Prozent der in Not geratenen Familien haben finanzielle Unterstützung erhalten.

- Für Arbeitsprogramme wurden 700 Millionen Rupien ausgegeben, für 13 000 Darlehen 3,8 Milliarden.

-  80 Prozent der in Mitleidenschaft gezogenen Hotels sind wieder in Betrieb.

-  95 Prozent der Kinder gehen wieder zur Schule, obwohl 180 Schulgebäude noch renoviert werden müssen.

 

Doch Hunderttausende hausen noch immer notdürftig in Zelten, da nur ein geringer Teil der benötigten 60 000 provisorischen Unterkünfte fertig gestellt ist, ganz zu schweigen von den letztlich benötigten 98 000 Häusern. Große Schwierigkeiten bereitet die von der Regierung nach dem Tsunami festgelegte Pufferzone von 100 Metern innerhalb der Küstenlinie – im Norden und Osten sogar 200 Meter. Innerhalb dieser Zone ist der Neubau von Wohnhäusern untersagt. Außerhalb aber steht – auch käuflich – kaum Land zur Verfügung.  Zudem gibt es Engpässe bei Baumaterialien. Und die Koordination der vielen Beteiligten lässt immer noch zu wünschen übrig.

 

Ein Fortschritt ist, dass die Regierung im November ein neues Ministerium für Wiederaufbau und Entwicklung gegründet hat, unter dessen Dach alle Aktivitäten vereinigt werden sollen. Dringend notwendig ist auch die Anhörung der lokalen Behörden und der betroffenen Menschen selbst, statt irgendwo in der Hauptstadt am grünen Tisch Entscheidungen zu treffen. Nur dann kann den realen Bedürfnissen in gerechter Weise Rechnung getragen werden. Immerhin hat die „Disaster  Relief Monitoring Unit“ der Human Rights Commission 19 000 Beschwerden erhalten.

 

Seit die Regierung von Sri Lanka mit den für ein eigenes Heimatland kämpfenden „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) im Februaur 2002 einen Waffenstillstand geschlossen hatte, herrschte im Lande relativer Frieden. Endlich hatte Hoffnung bestanden, die ethnischen Auseinandersetzungen zwischen der Minorität der Tamilen im Norden und der Majorität der Singhalesen im Süden zu beenden. 19 Jahre lang war das Land durch den Bürgerkrieg zerrüttet worden. Zehntausenden hat er das Leben gekostet. Seit der Präsidenten-Wahl im November aber nahmen die tamilischen  Rebellen ihre Angriffe wieder auf, und auch die Militärs der Regierung antworteten mit Vergeltungsschlägen. Über 150 Todesopfer seit Dezember sind die traurige Bilanz.

 

 

Unverständlicherweise hatte die LTTE ihre Landsleute zum Boykott der Präsidenten-Wahl aufgerufen. Dadurch verhalfen sie dem von den singhalesischen Nationalisten (SLFP, JHU) und den Linksradikalen (JVP) gestützten Mahinda Rajapakse an die Macht, der alle anderen Modelle als den Einheitsstaat ausschließt. Der mit nur 1,8 Prozent der Stimmen unterlegene Ranil Wickremesinghe dagegen, der als früherer Ministerpräsident den Waffenstillstand initiiert hatte, war für ein föderalistisches Regierungssystem eingetreten. Solch ein Modell der Teilung der Macht nach indischem Vorbild fordert übrigens auch die Wirtschaft, vertreten durch die Ceylon Chamber of Commerce.

 

Auch die internationalen Analysten sehen fast ausnahmslos darin den einzig gangbaren Weg. In diese Richtung dürfte der Präsident angesichts der hinter ihm stehenden Hardliner wenig Spielraum haben, wenn er auch schon hat verlauten lassen – ohne allerdings präzise zu werden -, dass er bereit sei, gewisse Machtbefugnisse an die Tamilen im Norden abzutreten. Überhaupt zeigte er sich in den letzten Wochen konzilianter und forderte die LTTE immer wieder zu Verhandlungen auf. Und das Militär ließ sich nicht mehr provozieren, selbst nicht, als eines ihrer Marineboote versenkt wurde. Trotzdem sah es in den letzten Wochen immer mehr nach Krieg aus. Der Führer der LTTE, Velupillai Prabhakaran, ließ verlauten : „Noch in diesem Jahr die Autonomie, sonst nehmen wir den Kampf wieder auf!“ Der Norwegische Minister für Internationale Entwicklung, Erik Solheim, der schon den Waffenstillstand vermittelt hatte, brachte die gegnerischen Parteien doch noch dazu, gemeinsamen Verhandlungen am 22. und 23. Februar in Genf zuzustimmen, den ersten seit drei Jahren. 

 

Dies werden aber keine Friedensverhandlungen sein, da die LTTE solche strikt ablehnt, solange die Regierung nicht ein Angebot für ein eigenes Heimatland gemacht hat. Es wird daher nur über die Sicherung des Waffenstillstandes gesprochen. Momentan ist nicht viel Optimismus angebracht, dass die Gespräche den Frieden einleiten könnten. Aber vielleicht kann das Klima dafür geschaffen werden, wie Erik Solheim hofft. Ein Scheitern würde Sri Lanka an den Rand eines Bürgerkrieges zurück werfen, den keine Seite gewinnen kann.

 

Die 40 000 im Norden und Osten stationierten Militärs von Sri Lanka sind den auf höchstens 20 000 Mann starken Truppen der LTTE nur zahlenmäßig überlegen, da sie völlig abhängig sind von der Versorgung auf dem Luft- und Seeweg. Die Tamil Tigers sind gefürchtete Kämpfer. Sie rekrutieren Jungen schon im Alter von 13 Jahren, sagt Amnesty International. Und es wird angenommen, dass sie den Waffenstillstand dazu benutzt haben, ihre Kampfkraft zu stärken, vor allem nachdem sich eine größere Gruppe abgespalten hatte, deren Rolle noch unklar ist.

 

 Ein Anspruch der LTTE auf die alleinige Vertretung der Tamilen ist nicht akzeptabel, da es auch im Norden tamilische Parteien wie die EPDP gibt, die für das friedliche Zusammenleben mit den Singhalesen eintreten, wie es im Süden völlig problemlos funktioniert. Bleibt nur die Hoffnung, dass dieses friedliche Zusammenleben eines Tages überall herrscht und das schöne kleine Land nicht an einem Bürgerkrieg zugrunde geht.

 

Heiko Trurnit

Im Februar 2006